DAS KIND

Kinder wollen von sich aus in ihrer Umwelt tätig sein und sie lernend entdecken. Ihre Interessen sind dabei von bestimmten, nur vorübergehend vorherrschenden Sensibilitäten gelenkt. Diese Phasen sind von besonderer Lernfähigkeit begleitet. Dr. Maria Montessori nannte diese Lernfenster 'Sensiblen Phasen'. Sie wies darauf hin, dass die Kindheit ein eigenes Stadium des Menschen ist mit eigenen Gesetzen und dass das Kind einen immanenten Bauplan für seine Entwicklung in sich trägt.

"Das Kind arbeitet nicht zielbewusst und schnell. Für das Kind sind die Dinge in der Außenwelt niemals ein erreichtes Ziel, sondern alles ist ihm nur Mittel zur Bildung seiner Persönlichkeit."

In Achtung vor der Würde der Persönlichkeit des Kindes wird das Augenmerk auf die Stärken des Kindes gerichtet und nach Schaffung des optimalen Lernumfeldes Vertrauen in seine Entwicklung gesetzt.

"Das Kind hat seine Entwicklungsgesetze, und wollen wir ihm bei seinem Wachstum helfen, dürfen wir uns ihm nicht aufdrängen, sondern müssen ihm folgen." Maria Montessori

In der vorbereiteten Montessori-Umgebung bildet das Kind (der Patient) seine Persönlichkeit durch Eigenaktivität.

BEOBACHTUNG

Beobachtung ist der Schlüssel der Erwachsenen zur Welt der Kinder (Patienten). Die Kunst, das Verhalten der Kinder (Patienten) 'lesen' zu lernen. Sie muss auf einer profunden Fachkompetenz, geschulter Wahrnehmungsleistung und einem differenziertem Kriterienkatalog für die Beobachtungssituation basieren.

Das "sensible Beobachten" ermöglicht es, sich als Erwachsener (Eltern, Erzieher, Lehrer, Heilpädagogen und Therapeuten) forschend weiter zu entwickeln, Fragen zu stellen und die eigenen Angebote in ihrer Wirkung zu überprüfen.

Die Interpretation der Beobachtung und die so gewonnenen Erkenntnisse dienen der Auswahl der Förderziele und -mittel und sind ein Korrektiv für das eigene pädagogische Verhalten des Erwachsenen. Das sensible Beobachten im Förderverlauf hat somit diagnostische und korrektive Bedeutung.

ERZIEHUNG

Eine wesentliche Aufgabe des Erwachsenen liegt im Herstellen einer auf das Kind (den Patienten) abgestimmten Lernumgebung. Der Erwachsene steht mittels dieser Vorbereiteten Umgebung in einer neuen - indirekten - Beziehung zu den Kindern. Erziehung findet hier im sogenannten Erziehungsdreieck statt: Die Umgebung und das darin befindliche Material schaffen Anreiz zum Lernen und zur Aktivität. Das Material enthält gleichermaßen Fehlerkontrolle und Sofortverstärkung und wirken mit der Strukturierung des Raumes und der Arbeitsweise korrigierend. Somit kann man von einer indirekten Erziehung sprechen. Kinder lernen mit hoher Motivation, sind wissbegierig und kreativ. Der Erwachsene wird zum Beobachter und Helfer. Es ist ein freudvoller Prozess, in dem beide "gewinnen" und ein Austausch von gegenseitigem Geben und Nehmen stattfindet.

VORBEREITETE UMGEBUNG

Der Begriff der Vorbereiteten Umgebung wird für ein strukturiertes, methodisch und didaktisch auf das Kind (den Patienten) abgestimmtes Lernumfeld auf der Basis der Montessori-Prinzipien verwendet.

Die Vorbereitete Umgebung beinhaltet erzieherische Hilfen, die das Kind ohne direktes Einwirken eines Erwachsenen, zu selbstbewusstem und selbstständigen Handeln führen. Die Montessori-Fachkraft gibt dem Kind (Patienten) durch die von ihr vorbereitete Umgebung Anregung zum aufbauenden Selbststudium, Führungslinien und Grenzen, die Personen unabhängig erkannt und begriffen werden.

"Das Erziehungswerk verteilt sich auf Lehrerin und Umgebung. Die früher 'Lehrende' wird durch ein sehr viel komplexeres Ganzes ersetzt, d.h. gleichzeitig mit der Lehrerin wirken zahlreiche Gegenstände (das Entwicklungsmaterial) bei der Erziehung des Kindes mit." Maria Montessori

FREIE WAHL DER ARBEIT

Eine didaktisch vorbereitete Umgebung ist die Voraussetzung für eine freie Wahl der Arbeit. Im Montessori-Konzept erhält das Kind (Patient) einen Rahmen, der zugleich eine Orientierungshilfe und auch ein Experimentierfeld ist. Die Materialien entsprechen mit ihrem Aufforderungscharakter dem Entwicklungsstand dem Interesse des Kindes (Patienten). Die Fehlerkontrolle durch das Material mit dem Effekt der Sofortverstärkung ist eine wesentliche Voraussetzung für die freie Arbeitswahl. Die freie Wahl umfasst Arbeitsmaterialien, Arbeitstempo, Arbeitsmenge, Wiederholung, soziale Kontakte, Arbeitsplatz und Arbeitszeit. Freie Wahl erfordert eine innere Entscheidung und ist ein bewusster Vorgang, der Aktivität und Entschlossenheit umfasst. Diese Leistung erfordert ein hohes Maß an Selbstkompetenz und bedarf häufig der geduldigen und sensiblen Unterstützung von Seiten des Erwachsenen.

LERNWEG

Die freie Wahl impliziert den individuellen Lernweg. Im Montessori-Konzept wird das Individuum gestärkt. Gleichzeitig bildet sich seine Sozialkompetenz und Verantwortungsbereitschaft in diesem Rahmen. Die Lernangebote werden individuell für jedes einzelne Kind (Patient) abgestimmt, entsprechend seiner Fähigkeiten und Erfahrungen, seiner Interessen und Bedürfnissen.

Bei dieser Form des Lernens erhalten die Kinder (Patienten) die Zeit, die sie benötigen; sie können verweilen, wiederholen, sie können sich in Ruhe auf eine Arbeit einlassen und in dem Tempo arbeiten und voranschreiten, das ihnen eigen ist.

Dabei wird immer der Weg von der Auseinandersetzung mit dem konkreten Gegenstand über die bildliche Ebene hin zum symbolisch Abstrakten eingehalten.

BEWEGUNG UND STILLE

Dr. Maria Montessori erkannte, dass Bewegung nicht nur für die motorische, sondern auch für die kognitive, emotionale und soziale Handlungsfähigkeit eine zentrale Lernkategorie darstellt. Wahrnehmen und Bewegen sind unzertrennlich mit einander verknüpft und wirken auf einander ein.

Bewegung trägt zur Entwicklung einer harmonischen Gesamtpersönlichkeit bei und steht in unmittelbarem Zusammenhang mit sinnlichen und sozialen Erfahrungen sowie dem Erfahren der eigenen Körperlichkeit. Die Aktivität in der vorbereiteten Montessori-Umgebung befriedigt und lenkt den natürlichen Bewegungsdrang des Kindes, in jeder Übung sind Arbeit und die Bewegung eng miteinander verbunden, wird die Bewegungskoordination geübt und verfeinert. Die Kinder können mit dem Material auf dem Teppich oder am Arbeitsplatz üben. In der ungezwungenen Atmosphäre können Lerninhalte besser aufgenommen werden.

Wenn das Kind im Lernprozess nicht gezwungen wird, still zu sitzen, nimmt es gerne Angebote zu meditativen Übungen wie das "Gehen auf der Linie" oder die "Lektion der Stille" an.

KREATIVITÄT

Das Montessori-Konzept fördert eine klare innere Vorstellungskraft, auf der Kreativität und Fantasie kultiviert werden können. Die Individualität des Kindes wird wertgeschätzt, die Stärken des Kindes ausgebaut. Es erfährt Sicherheit und Entspannung und viel Anregung.

Die Vorbereitete Umgebung weckt Neugier. Das Kind kann seinem Wissensdrang in Eigenaktivität nachgehen. Es verinnerlicht in seiner Arbeit Regeln, erfasst Gesetzmäßigkeiten und kann in der eigenen Auseinandersetzung mit den Lerngegenständen selber neue originelle Lösungen finden. Ohne Druck, fehlerlos gut sein zu müssen, kann es experimentieren und sein schöpferisches Potenzial entfalten.

Durch das Lernen mit allen Sinnen und der Bewegung und die Vernetzung von Lernfächern werden die heranwachsenden Kinder gedanklich flexibel und finden schöpferisch zu Neuem.

"Man muss dem gesamten innerem Wachstum neue Wege eröffnen, auf denen sich die tiefe Natur des Kindes entfalten kann." Maria Montessori

SELBSTSTÄNDIGKEIT

Die Selbstständigkeit des Menschen - im Rahmen seiner Möglichkeiten - ist ein allgemein anerkanntes Ziel jeder Erziehung. Der Leitsatz des Montessori-Konzeptes "Hilf mir, es selbst zu tun." spiegelt das methodische Vorgehen durch Selbsterziehung wieder.

Der Aufbau von Selbstständigkeit beinhaltet gleichermaßen Freiheit und Bindungsfähigkeit:
• Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen und zu verantworten
• mittels tätiger Auseinandersetzung die Entwicklung von selbstständigem Denken und Handeln als Grundlagen einer mündigen Persönlichkeit
• sachgerechter und sorgfältiger Umgang mit den Entwicklungsmaterialien und Aufgaben
• zunehmend differenzierte Wahrnehmungsfähigkeit
• Ausbau von Sensibilität, Selbstwertgefühl und innerer Disziplin durch das Bildungsphänomen der polarisierten Aufmerksamkeit
• Pflege und Verantwortung für sich, das Material, die Umgebung und die Mitmenschen

Die Angebote zur Aktivität müssen dabei dem Alter, der Reife, den seelischen, geistigen und Körperlichen Befindlichkeiten des Kindes (Patienten) entsprechen.

ORDNUNG

Im Montessori-Konzept kommt dem Begriff der Ordnung eine weite und grundlegende Bedeutung zu.

Drei Aspekte der Ordnung sind zu unterscheiden:

1. Ordnung als äußere Ordnung, sie betrifft den Arbeitsplatz, die geordnete Aufbewahrung der Materialien in den Regalen, also die Umgebung.

2. Die inner Ordnung im Material, sie betrifft die Struktur des zu lernenden neuen Inhalts.

3. Die innere Ordnung im Kind (Patient): Sie betrifft die Struktur des Gelernten im Niederschlag als Denkschemata. Sie betrifft die innere Ruhe und Harmonie, die von einer konzentrierten Arbeit ausgeht. Das Kleinkind hat eine hohe Sensibilität für Ordnung, denn sie gibt ihm Sicherheit, fördert sein Wohlbefinden und seine Selbstständigkeit. Die äußere Ordnung entwickelt sich zu einer inneren Ordnung. Über die innere Ruhe und Harmonie findet die Entwicklung zu einem friedvollen Menschen statt.

POLARISATION UND AUFMERKSAMKEIT

Es ist eine Phase von tiefer und zugleich entspannter Konzentration. Dieses Einswerden mit der Tätigkeit oder Versinken in die Handlung initiiert einen positiven Wandlungsprozess. Jedes Kind, so Montessori, normalisiert sich, indem es seine geistig-seelischen Kräfte konzentriert, ordnet und entfaltet.

Durch die aktuelle Hirnforschung wissen wir, dass hierdurch nachweislich Glücksbotenstoffe im Körper frei gesetzt werden. Die Polarisation der Aufmerksamkeit macht glücklich, stressresistent, unterstützt somit Gesundheit, Lernen und Sozialverhalten. Die Voraussetzungen werden in der Montessori Umgebung geschaffen: eigener Arbeitsrhythmus, interessante Tätigkeit, strukturiertes Material mit Erfolgskontrolle, entspannte Atmosphäre, Sicherheit.

"Das Kind begibt sich schlicht in eine Haltung tiefer Isolierung, und in ihm bildet sich ein starker, ruhiger Charakter, der Liebe um sich ausstrahlt." Maria Montessori